Zuletzt überarbeitet am 4. Mai 2020 von Franzi

Ihr Lieben, wir befinden uns in einer Pandemie und manchmal fühle ich mich, als wäre ich in einem Film gefangen. Leider ist es kein aufregender Actionfilm wie 28 Days Later, World War Z oder I am Legend. Es ist ein langweiliger Film. So langweilig, dass sich 20 Jahre später vermutlich kein Regisseur dieser Welt mehr um die Story scheren wird. Denn wir verhindern die Apokalypse nicht, indem wir Zombies bekämpfen oder in die Vergangenheit zurückreisen, um ein Heilmittel zu finden. Wir verhindern sie, indem wir mit unserem Arsch zu Hause bleiben und irgendwie versuchen, vor Frust und Langeweile nicht die Wände hochzugehen.

Jammern ist erlaubt, auch wenn es andere härter trifft

Zuerst möchte ich mich an dieser Stelle vor all den Menschen verneigen, die in diesem sterbenslangweiligen Endzeitfilm die Rolle der Superhelden einnehmen. Pflegepersonal, Ärzte, Supermarktangestellte, Reinigungskräfte, Pizzalieferanten und alle, die den maroden Laden noch irgendwie am Laufen halten. Mir ist durchaus bewusst, dass es ein Privileg ist, sich zuhause verschanzen zu dürfen. Und trotzdem finde ich: Wir alle – jeder Einzelne von uns – darf wenigstens ab und zu ein bisschen jammern und sich selbst bemitleiden. Denn wir leben in einer beschissenen Situation und ein Jahr, das für viele von uns so vielversprechend angefangen hat, geht jeden Tag ein bisschen mehr den Bach runter.

Millionen Menschen alleine in Deutschland und unzählige auf der ganzen Welt wissen nicht, ob sie in ein paar Monaten noch einen Job haben. Ich bin einer davon. Denn sowohl meine Festanstellung als Flugbegleiterin als auch mein Zweitjob als Reisebloggerin stehen gerade optimistisch ausgedrückt auf der Kippe. Und dabei kann ich mich noch nicht einmal beschweren. Denn während andere bereits vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, beziehe ich zumindest weiter Gehalt und kann mich trotz fehlender Blogeinnahmen über Wasser halten, ohne meine Ersparnisse angreifen zu müssen.

Flugbegleiterin Flughafen München - auf Fotos gut aussehen

Die Sonne scheint. Und trotzdem schwebt da diese dunkle Wolke

Und trotzdem fällt es mir unheimlich schwer, diesen gigantischen Berg an neu gewonnener Freizeit zu genießen. Meine Tage fülle ich mit Homeoffice, Kochen, Backen, Netflix und vielen, vielen sonnigen Stunden auf dem Balkon. Nach Monaten habe ich es endlich geschafft, mal wieder ein Buch zu lesen und meine Wohnung ist so sauber, dass ich mein selbstgerolltes Sushi vom Boden essen könnte. Wahrscheinlich wäre ich gerade der glücklichste Mensch auf diesem schönen Planeten, wenn da nicht ständig diese dunkle Wolke wäre, die mich Tag und Nacht verfolgt und all die hellen Momente immer wieder überschattet.

Neue Bekanntschaften halten mich oft für einen offenen, selbstbewussten und positiven Menschen. Nur meine engen Freunde wissen, dass ich eigentlich introvertiert bin und die Gesellschaft von mehreren und vor allem vielen Menschen nur schwer und oft auch gar nicht ertragen kann. Und obwohl ich mich selbst nicht als Pessimistin einordnen würde, bin ich vom Optimismus mindestens genauso weit entfernt. In der Schule, an der Uni oder im Job: Ich habe mich in allen wichtigen und richtungsweisenden Situationen immer auf das Worst-Case-Szenario vorbereitet und war das, was man früher verächtlich einen „Streber“ nannte.

Schlafparalyse: Ein Dämon aus meiner Vergangenheit ist zurück

Wenn ich Dinge nicht beeinflussen kann, habe ich schnell das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Das kann ich nach außen hin ganz gut überspielen und mir auch vor anderen nichts anmerken lassen. Der Einzige, der mich immer durchschaut und sich auch absolut nicht verarschen lässt ist mein Körper. Und immer, wenn er das Gefühl hat, in einer unbeherrschbaren Situation zu stecken, schickt er mir einen alten Dämon aus der Vergangenheit vorbei: Die Schlafparalyse.

Sie wird auch Schlafstarre genannt und bezeichnet die Unfähigkeit, trotz vollem Bewusstsein den Körper bewegen zu können – das Ganze geht oft mit Halluzinationen einher. Dabei ist die Schlafparalyse absolut nicht gefährlich und lässt sich ganz leicht erklären: Während der sogenannten REM-Phase (rapid eye movement) träumen wir, nur die ­Augenmuskeln sind aktiv. Die Nervenfasern dagegen, mit denen wir im Wachzustand unsere Bewegungen steuern, werden vom Gehirn gehemmt. Das schützt uns davor, im REM-Schlaf unsere Träume auszuleben.

Blöd ist das Ganze dann, wenn wir während einer REM-Phase zu Bewusstsein kommen – denn dann können wir eine Schlafparalyse erleben. Wir sind dann zwar wach, aber unser für die Motorik zuständiger Teil des Gehirns schläft noch weiter. Verschiedene Hirnbereiche sind also unterschiedlich aktiviert – eine so genannte Dissoziation, die zu wirklich furchterregenden Halluzinationen führen kann.

Das Monster, das mich schon mein Leben lang begleitet

Die Schlafparalyse verfolgt mich schon seit meiner Kindheit. Während es früher noch Dämonen und gruselige Monster waren, die mir in der Schlaflähmung begegnet sind, ist es seit meinem Erwachsenenleben immer wieder der gleiche Albtraum: Ich liege gelähmt im Bett und kann nur meine Augen bewegen. Da ich aber meinen Kopf nicht heben kann, bleibt mir nichts anderes übrig als an die Decke zu starren. Ein Mann geht in meinem Zimmer herum und ich höre ihn atmen. Er kommt immer näher und das Atmen wird lauter. Ich gerate immer mehr in Panik – kann aber nichts tun. Das Ganze dauert so lange, bis er direkt vor meinem Bett steht und ich endlich, endlich aufwache. Manchmal sind das nur ein paar Sekunden, an anderen Tagen aber auch viele lange Minuten.

Wenn die Paralyse vorbei ist, rast mein Herz wie verrückt. Mein Hals ist zugeschnürt und ich bin oft so erschöpft, dass ich es stundenlang nicht aus dem Bett schaffe. Das schlimmste an den Halluzinationen ist aber die Unfähigkeit zu schreien oder sich irgendwie zu artikulieren. Manchmal bin ich nach dem Albtraum deshalb so erleichtert, dass ich in meinem Bett laut zu brüllen beginne. Drückt mir die Daumen, dass die Nachbarn mich nicht irgendwann in einer Zwangsjacke abholen lassen.

Als Kind konnte ich nie wirklich einordnen, was da mit mir passiert und da ich das Ganze nicht in Worte fassen konnte, habe ich auch nie mit einem Erwachsenen darüber geredet. Nachdem ich dann einige Jahre meine Ruhe hatte, kamen die Paralysen während dem Studium mit voller Wucht zurück. Und während sie anfangs noch nach ein paar Sekunden vorbei waren, lag ich irgendwann minutenlang im Bett und habe nur gebetet, endlich aufzuwachen. Erst viel später habe ich mich dazu überwunden, erst zum Hausarzt und dann zum Psycho-Doc zu gehen. Die beste Entscheidung meines Lebens. Zwar haben wir das Problem nicht ohne Medikamente in den Griff bekommen – nach ein paar Monaten wurde es aber immer besser und nach einem Jahr waren die Schlafparalysen verschwunden.

Fast zehn Jahre waren sie weg und nach nur drei Wochen Corona-Albtraum stecke ich nun wieder mittendrin. Diesmal habe ich aber direkt beschlossen, mich nicht wieder monatelang damit herumzuschlagen. Nach der zweiten Paralyse bin ich direkt zu meiner Hausärztin gegangen, die mich gleich ins Schlaflabor und zu einem Facharzt geschickt hat. Ich habe ein ganz gutes Gefühl, dass ich das Problem diesmal schneller in den Griff bekomme als beim letzten Mal.

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Wir müssen in einer Ausnahmesituation keine perfekten Menschen sein

Jetzt fragt ihr euch bestimmt gerade, warum ich euch diese ganze Geschichte denn erzählt habe. Was ich eigentlich damit sagen will: Meiner Meinung nach ist es das Wichtigste, dass wir alle aus dieser Situation zumindest einigermaßen körperlich – aber eben auch psychisch – gesund hervorgehen. Wie wir das schaffen, ist dabei vollkommen egal. Ob wir nun 14 Stunden täglich arbeiten und uns im Homeoffice selbst übertreffen oder morgens schon das erste Gläschen Wein auf dem Tisch stehen haben – das, was sich für uns richtig anfühlt, ist es in dieser ganz besonderen Situation auch.

Was wir gerade in den Sozialen Medien Tag für Tag aufgetischt bekommen, kann ganz schön frustrierend sein und an unserem Selbstbewusstsein nagen. Auf einmal scheinen alle unsere Freunde und Bekannte zu Sportskanonen zu mutieren. Jeder macht Yoga, liest tiefgründige Bücher, backt Bananenbrot, spielt 50er-Jahre-Hausfrau und renoviert die ganze Wohnung einmal durch. Bei Facebook prasseln Artikel zum Thema „Mehr Produktivität im Homeoffice“ auf uns ein und bei Instagram reibt uns jeder zweite Influencer seine „Bisschen weniger fett in vier Wochen“-Challenge unter die Nase.

Wein am Morgen und ein Tag im Bett. So what?

Versteht mich nicht falsch. Auch ich versuche die viele freie Zeit zumindest einigermaßen produktiv zu nutzen. Ich arbeite so gut es geht, halte mich fit, esse viele Vitamine zum Ausgleich für den ganzen Kuchen und habe es sogar geschafft, meinen Balkon endlich herzurichten. Aber manchmal geht eben auch nichts und dann habe ich Tage, an denen ich gar nicht versuche, vor drei Uhr nachmittags aus dem Bett zu kommen. Am Anfang habe ich mich noch dafür geschämt aber mittlerweile denke ich, es ist ganz alleine unsere Sache, wie wir diese Krise bewältigen.

Wenn ich morgens Lust auf ein Glas Sekt auf dem Balkon habe, gönne ich es mir. Abends gibt es Pizza statt Salat und Netflix hat es längst aufgegeben, mir nach drei Stunden eine „Are you still watching?“-Nachricht zu schicken. Deshalb hier zum Schluss noch einmal mein Appell: Hört endlich auf, so verdammt produktiv zu sein! Kümmert euch um euch selbst und eure Liebsten. Gönnt euch, was euch gut tut. Und habt kein schlechtes Gewissen, all die nervtötenden, dauergrinsenden Fitness-Influencer bei Instagram mal 30 Tage stumm zu schalten.

Alles Liebe und bleibt gesund.

P.S.: Noch mehr interessante Gedanken zu dem Thema findet ihr auf dem Blog von Katharina.

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